In der Regel fokussiert sich hotelbau auf Projekte in der DACH-Region oder beleuchtet schwerpunktmäßig weitere Märkte. Dieses Mal geht es aus aktuellem Anlass jedoch in eine etwas weiter entfernte Region: den Nahen Osten.
Unter der Bezeichnung „Naher Osten“ werden die Länder Syrien, Libanon, Israel, Palästina, Jordanien, Saudi-Arabien, Bahrain, Kuweit, Oman, Katar, Vereinigte Arabische Emirate, Jemen und Irak zusammengefasst. An dieser langen Liste lässt sich bereits erkennen, wie wenig homogen diese weitläufige Region südlich der Türkei ist. Jeder dieser Staaten kämpft mit seinen eigenen Herausforderungen: Seit 2011 tobt in Syrien ein Bürgerkrieg. Im Libanon herrscht eine gravierende Wirtschaftskrise und besonders große mediale Aufmerksamkeit zog 2020 eine Explosion im Hafen der Hauptstadt Beirut auf sich. Auch der seit Jahrzehnten bestehende Konflikt zwischen Israel und Palästina dauert weiterhin an, eine Lösung scheint nicht in Sicht. Bedauerlicherweise lässt sich diese Aufzählung problemlos fortsetzen, obwohl wir in der DACH-Region oft viele Spannungsherde vergessen.
Gleichzeitig erreichen uns auch andere Nachrichten aus den arabischen Staaten Vorderasiens und Israel: Im November beginnt in Katar die Fußball-Weltmeisterschaft der Herren und die Deutsche Hospitality unterzeichnete erst kürzlich einen Vertrag mit Vertretern aus Saudi-Arabien, um die Marke Steigenberger Porsche Design Hotels im Nahen Osten zu etablieren (hotelbau berichtete). Was zunächst nach guten Neuigkeiten klingt, macht allerdings einen zweiten Blick notwendig.
Es ist kein Geheimnis, dass die Fußballwelt Katar als Austragungsort durchaus kritisch sieht. Korruptionsvorwürfe, die Situation der Gastarbeiter, die die Stadien errichten, und die Nichteinhaltung von Menschenrechten überschatten das Sportereignis, bevor das erste Spiel des Turniers überhaupt angepfiffen wurde. Trotzdem werden im Winter vermutlich Massen an Fußballfans aus aller Welt nach Katar reisen, um ihre Mannschaften anzufeuern – soweit das Coronavirus es zulässt, aber die FIFA ist bekanntermaßen gut vernetzt und findet sicher einen Weg, um die Zuschauerränge zu füllen.
Vision 2030 in Saudi-Arabien
Und außerhalb von Katar? Als Reiseziel hat auch die Deutsche Hospitality den Nahen Osten auserkoren. Die Gruppe arbeitet fortan mit dem Tourism Development Fund (TDF) aus Saudi-Arabien zusammen, um mit der Marke Steigenberger Porsche Design Hotels zu expandieren. Bislang war das Königreich vor allem für seine islamischen Pilgerstätten, massive Erdölvorkommen und Wasserknappheit bekannt. Das klingt zunächst nicht nach einem klassischen Standort für ein Luxushotel einer ursprünglich deutschen Hotelgruppe. Amnesty International dokumentierte mehrere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht seitens Saudi-Arabiens im Krieg gegen den Jemen. Auch die Diskriminierung von Frauen und öffentliche Hinrichtungen sind in zahlreichen Fällen belegt. Zudem ist Machthaber Mohammed bin Salman bekannt dafür, Oppositionelle zu verfolgen und zu inhaftieren. So geriet etwa im Oktober 2018 der mysteriöse Todesfall des saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi in Istanbul (Türkei) in die Schlagzeilen. Die UN wertet sein Verschwinden als außergerichtliche Hinrichtung und vermutet, dass bin Salman persönlich in den Fall verwickelt ist.
Trotzdem lässt sich Marcus Bernhardt, CEO Deutsche Hospitality, mit Ahmed Al-Khateeb, dem saudisch-arabischen Tourismusminister ablichten. Ähnlich wie Mohammed Bin Rashid Al Maktoum, Emir von Dubai sowie Vizepräsident, Premierminister und Verteidigungsminister der Vereinigten Arabischen Emirate, in Dubai, will auch bin Salman den Tourismus-Sektor in seinem Land stärken. Das Programm dazu nennt sich „Vision 2030“ und umfasst Punkte, wie die Vergabe von Visa an Menschen, die nicht geschäftlich oder wegen einer Pilgerfahrt einreisen möchten seit 2019. Denn nicht nur religiöse Touristen sollen Saudi-Arabien als Reiseziel entdecken. Es macht also durchaus Sinn, sich prestigeträchtige Projekte wie Steigenberger Porsche Design Hotels ins Land zu holen. Und die Deutsche Hospitality ist nicht die einzige, die in das Königreich expandiert: Bekannte Marken wie Four Seasons Hotels and Resorts, InterContinental Hotels, Hyatt Regency, Le Meridien, Radisson Blu etc. sind längst in der Hauptstadt Riad vertreten. Und auch in anderen Staaten des Nahen Ostens, boomt der Tourismus und Hotels wachsen wie Pilze aus dem Boden. Kein Wunder, schließlich sehnen sich Reisende nach immer exotischeren Urlaubszielen und große Distanzen stellen kein Hindernis mehr dar.
Und die Moral von der Geschicht‘
Kann man es den Hoteliers vorwerfen, die Moral hintenanzustellen und stattdessen diese Chance auf Wachstum im Nahen Osten zu nutzen? Kann es der Region vielleicht zum Vorteil gereichen, wenn der Tourismus aufblüht? Letzten Endes entscheiden die Gäste über den Erfolg oder Misserfolg eines Hotelprojekts. Doch so wie sich Fußballfans fragen, ob sie die anstehende Weltmeisterschaft in Katar boykottieren sollten, können Reisende reflektieren, ob sie ihren nächsten Urlaub tatsächlich in Saudi-Arabien verbringen wollen. Denn die Situation der Gastarbeiter, die dort ein Luxushotel errichten, ist ähnlich verheerend wie die Lage der Arbeiter in Katar, die am Bau der Stadien beteiligt waren. Berichten zufolge starben dabei mehrere tausend Menschen für sieben Neubauten und ein umfassend saniertes Fußballstadion.