Kunstleder heißt jetzt veganes Leder. Das klingt einfach schicker. Veganer, die von ihren Mitmenschen früher als weltfremde Hippies und Spinner abgetan wurden, werden mittlerweile von der Gesellschaft weitestgehend akzeptiert. Denn Umweltbewusstsein, Nachhaltigkeit und Veganismus liegen voll im Trend und jeder will ein Stück vom veganen Rohkost-Kuchen abhaben. Große Modeketten, die bekannt dafür sind, Arbeitskräfte auszubeuten, verkaufen jetzt faire Mode aus Bio-Baumwolle mit dem Label „vegan“.
Auch die Hotelgruppe Hilton springt auf den Zug auf und bietet die erste vegane Hotelsuite an. Im Hilton London Bankside können jetzt laut Pressemitteilung „ethisch bewusste Reisende und Londoner“ absteigen. Das Bett hat ein Kopfteil aus Ananas-Fasern statt aus Leder, bei Kissen und Decken verzichtet das Hotel auf Füllungen aus Daunenfedern. Die Fußböden bestehen aus pflanzlichen und recyclebaren Materialien. Auch die Kosmetikartikel im Bad und die Putzmittel vom Reinigungspersonal sollen besonders umweltfreundlich sein. Und natürlich bietet die Minibar und die Speisekarte des Roomservice veganes Essen an.
So weit, so gut für das Image: Hilton kümmert sich nicht nur um seine Gäste, sondern auch um die (Um-)Welt. Zum Beispiel können Mitglieder des Bonus-Programms „Hilton Honors“ Ihre gesammelten Punkte für einen guten Zweck spenden. Die vegane Hotelsuite stellt eine weitere Möglichkeit für ein gutes und grünes Gewissen dar, ohne dass der Gast Abstriche machen muss. Denn die Suite ist zweifellos schick. Aber ob sich der „ethisch bewusste Reisende“ auch darüber bewusst ist, dass sein Flug nach London und das Taxi zum Hotel eher weniger gut für die Umwelt sind?
Zur Hilton-Gruppe zählen weltweit mehr als 5.600 Hotels mit annähernd 913.000 Zimmern. Nun hat die Kette also gemeinsam mit The Vegan Society ein einziges von fast einer Mio. Zimmern vegan renoviert. Das Hilton London Bankside hat übrigens 2015 eröffnet, die frühere, nicht vegane Inneneinrichtung war also etwa vier Jahre alt. Alles nach so kurzer Zeit auszutauschen klingt für mich erst einmal nicht besonders nachhaltig, sondern eher nach einem Sinnbild für unsere Wegwerf-Gesellschaft.
Laut einer Umfrage der AWA lag die Zahl der Veganer in Deutschland 2018 bei knapp einer Mio. Menschen, es gibt also eine Zielgruppe. Die vegane Hotelsuite könnte ein guter Anfang einer nachhaltigen Unternehmensstrategie sein, vielleicht ist es aber auch nur ein Versuch, der Marke Hilton einen grünen Anstrich zu verpassen, so wie es derzeit viele große Unternehmen vormachen. Denn viele Veganer, die mehr als nur hip und trendy sein wollen, sehen Veganismus nicht nur als Ernährungsweise, sondern als grundsätzliche Lebenseinstellung. Nur macht eine vegane Suite bei 913.000 Zimmern noch keinen Grundsatz aus.
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